Missbrauch des Verteidigerprivilegs?

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft entschied das zuständige ZMG im Kanton Zürich, die Kontakte einer amtlichen Verteidigerin mit ihrem inhaftierten Mandanten hätten für die nächsten sechs Monate in einem Besucherraum mit Trennscheibe des jeweiligen Untersuchungsgefängnisses stattzufinden. Das Obergericht trat auf die StPO-Beschwerde des Untersuchungshäftlings nicht ein, sondern leitete sie direkt an das Bundesgericht weiter, das sie als BGG Beschwerde behandelt und gutheisst (BGer 1B_447/2021 vom 25.01.2022).

Als Grund für die Beschränkung des Verkehrs diente ein Brief des Häftlings an die Polizei, den er seiner Verteidigerin zum Versand übergab. Dies hatte er zuvor bereits mit einem Brief an seine Schwester bzw. Nichte getan, wobei das Obergericht in diesem Fall einen Missbrauch ausdrücklich verneinte. Auch im Zusammenhang mit dem Brief an die Polizei steht nun fest, dass kein Missbrauch vorliegt:

Wie die Vorinstanz selber einräumt, ist es der Verteidigung unbenommen, Dokumente des inhaftierten Beschuldigten entgegen zu nehmen und in eigene Behördeneingaben zu integrieren bzw. diesen beizulegen (…). Aber auch die Entgegennahme und postalische Weiterleitung des Briefes des Beschwerdeführers vom 23. April 2021 an die Kantonspolizei Zürich kann nicht als missbräuchliche Umgehung der Briefkontrolle gewertet werden. Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes hat die Verfahrensleitung die Korrespondenz des inhaftierten Beschuldigten mit Aufsichts- und Strafbehörden keiner Briefkontrolle zu unterziehen (Art. 235 Abs. 3 StPO); zu Letzteren gehört auch die Polizei (Art. 12 lit. a StPO). Die kantonalen Instanzen legen denn auch nicht dar, inwiefern in irgend einer Weise eine Kollusionsgefahr zwischen dem Beschwerdeführer und dem polizeilichen Sachbearbeiter der Kantonspolizei Zürich bestanden hätte. Ein Missbrauch des freien Verteidigerverkehrs im Sinne des Gesetzes ist nicht ersichtlich (E. 2.4).