Rupperswil und die “Opferanwälte”

Nachdem sich ein Teil der Medien auf die Verteidigerin eingeschossen hat, möchte ich den Blick mit etwas Abstand auf die Opfervertreter werfen.

  1. Verkehrte Welt: Meistens werden die Beschuldigten von männlichen Verteidigern vertreten, insbesondere bei schweren Vorwürfen. Die Opfer wenden sich meist an Anwältinnen, was möglicherweise damit zu tun hat, dass die Opferhilfestellen lieber Frauen als Männer empfehlen, wieso auch immer. Wieso war in Rupperswil alles anders? Vielleicht weil schon vor dem Prozess klar war, auf welcher Seite man punkten konnte?
  2. Öffentlichkeitsarbeit der Opferanwälte: es mag ja sein, dass die Verteidigung nicht immer den richtigen Ton gefunden hat. Warum hat aber niemand die Opferanwälte kritisiert, die nach ihren eigenen Angaben teilweise nicht mehr schlafen konnten und beim plädieren von ihren Gefühlen übermannt wurden? Ist es richtig, von einer Verteidigerin professionelle Distanz zu verlangen, den Opfervertreten aber ihre emotionale Nähe anzurechnen? Wie kann man begründen, Opferanwälte aus höchstpersönlichen Briefen ihrer Klienten vorlesen zu lassen, die womöglich nicht einmal aktenkundig waren?
  3. Kritik an Opferanwälten: Darf man Opferanwälte überhaupt kritisieren (oder allenfalls nur Opferanwältinnen)?

Rupperswil hat meine Überzeugung vertieft, dass Opfer im Strafverfahren keinen Platz haben. Was Opfer völlig zu Recht fordern, kann ihnen der Strafprozess niemals geben. Nach dem Prozess zu beklagen es seien wieder einmal nur die Beschuldigten im Mittelpunkt gestanden, ist billig. Es geht nun mal um die Beschuldigten, die selber gerne darauf verzichten würden, im Fokus zu stehen. Die Gesellschaft will auch nicht wissen wie hoch die Genugtuungsansprüche der Opfer sind. Sie konzentriert sich darauf, die maximale Strafe zu fordern, die nie maximal genug sein kann. Offenbar ist nur die Höchststrafe geeignet, den Rechtsfrieden wiederherzustellen. Der gemeinsame Ruf nach Höchststrafe und Ausgrenzung (unmenschliche Bestie) wirkt gesellschaftlich integrierend und anerkennend. Das mag erklären, warum es oft Strafgefangene sind, welche die härtesten Strafen für die Bestien verlangen.