Quaranta gegen die Schweiz

In einem neuen Grundsatzentscheid äussert sich das Bundesgericht einlässlich zu den Instituten der notwendigen und der amtlichen Verteidigung (BGE 1B_338/2016 vom 03.04.2017, Publikation in der AS vorgesehen).

Soweit ersichtlich bringt der Entscheid keine neuen Erkenntnisse. Das Bundesgericht begründet u.a., warum die Quaranta-Rechtsprechung (Urteil des EGMR i.S. Quaranta gegen Schweiz vom 24. Mai 1991, 12744/87, Serie A Nr. 205, Ziff. 33 = VPB 1991 S. 428 f., deutsch in Pra 1992 S. 267 f.) nicht dazu führt, dass bei der drohenden Freiheitsstrafe i.S.v. Art. 130 lit. b StPO nicht auf die abstrakte Höchststrafe abzustellen ist:

Da, wie ausgeführt, keine Pflicht zur notwendigen Beiordnung einer Verteidigung aus Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK abgeleitet werden kann (ROBERT ESSER, in: Löwe-Rosenberg, Die Strafprozessordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Band 11: EMRK und IPBPR, 26. Aufl. 2012, N. 723 zu Art. 6 EMRK) und die Konventionsstaaten insoweit bezüglich der innerstaatlichen Ausgestaltung einer allfälligen gesetzlichen Anspruchsgrundlage über ein grosses Ermessen verfügen (vgl. rechtsvergleichend zur Verbreitung und Vielfalt des Instituts der notwendigen Verteidigung in den Mitgliedsstaaten des Europarats SUTTER, a.a.O., S. 301 ff.), ist nicht zu beanstanden, dass Art. 130 lit. b StPO nicht an das abstrakt höchstmögliche, sondern an das konkret zu erwartende Strafmass anknüpft (vgl. dazu auch nachfolgend E. 3.2 und 3.3 betreffend amtliche Verteidigung), zumal Art. 130 StPO – neben der Schwere des Tatvorwurfs – alternativ auch den jeweiligen Umständen des Einzelfalls Rechnung trägt (dazu sogleich E. 2.4.4), so dass die Effektivität der Verteidigung auch unterhalb der Schwelle von Art. 130 lit. b StPO gewahrt bleibt (E. 2.4.3).

Man hoffe auf Strassburg.