Aktenchaos bei der STA III in Zürich

In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass bei der Sicherstellung von Datenträgern das reine Chaos herrscht. Weder die Behörden noch die Beteiligten sind in der Lage, auch nur im Ansatz zu überblicken, welche Informationen überhaupt sichergestellt wurden, was davon beschlagnahmefähig ist und was auch tatsächlich beschlagnahmt wurde.

Das Ergebnis ist, dass Gerichtsverfahren durchgeführt werden, ohne dass die Beteiligten Klarheit über den Bestand der hybrid angelegten Gerichtsakten haben, die so in der StPO m.W. gar nicht vorgesehen sind.

Diese Problematik wird in einem aktuellen Fall evident, der offenbar noch in der Untersuchung steckt. Das Datenchaos führte aber bereits zu irreparablen Fehlleistungen der Staatsanwaltschaft, was bereits aus einer Sachverhaltsdarstellung in einem aktuellen Bundesgerichtsentscheid herauszulesen ist (BGer 1B_231/2022 vom 27.12.2022, erst heute veröffentlicht):

Am 7. Dezember 2021 händigte die Staatsanwaltschaft die an der Hausdurchsuchung sichergestellten Daten den Privatklägerinnen […] aus. Mit Verfügung vom 1. März 2022 hielt die Staatsanwaltschaft fest, es bestehe der Verdacht, dass dabei nicht beschlagnahmte Anwaltskorrespondenz und private Unterlagen an die Privatklägerinnen ausgehändigt worden seien und verpflichtete sie, alle physischen und elektronischen Datenbestände, die ihnen am 7. Dezember 2021 ausgehändigt worden seien, unwiderruflich zu vernichten und ihr dies innert sieben Tagen schriftlich zu bestätigen. Des Weiteren seien die von der Privatklägerschaft bereits erstellten physischen und elektronischen Arbeitsprodukte zu vernichten (Sachverhalt B.),

Die Staatsanwaltschaft verdächtigt sich also selbst, nicht beschlagnahmte Anwaltskorrespondenz an die Privatklägerinnen herausgegeben zu haben und fordert diese nun auf, die Akten, die ihr völlig unverhofft zugekommen sind, zu vernichten, und zwar unwiderruflich. Bezeichnenderweise wehrten sich die Privatklägerinnen bis vor Bundesgericht dagegen, allerdings erfolglos.

Jetzt fragt man sich natürlich, wie denn erst ein Beschuldigter damit umgeht, dass seine – rechtlich absolut geschützte – Anwaltskorrespondenz nicht nur bei den Strafverfolgern, sondern auch bei den Privatklägern landet. Das geht – zumindest teilweise – aus einem ebenfalls heute publizierten Entscheid des Bundesgerichts vom selben Datum hervor (BGer 1B_57/2022 vom 27.12.2022). Auch er hat sich gewehrt und auch er blieb erfolglos. Das Bundesgericht lässt ihn formell auflaufen und erwähnt mit keinem Wort, dass es ihm darum gegangen sein muss, seine Anwaltskorrespondenz zu schützen, die – das weiss man aber wie gesehen nicht mit Sicherheit – gar nicht oder noch nicht beschlagnahmt war.

Man darf gespannt sein, wie die Strafbehörden und vor allem die verantwortliche Verfahrensleitung der Staatsanwaltschaft mit diesem vollkommen korrumpierten Verfahren umgehen werden.